Vereinsgeschichte

90 Jahre Fußball in Langenselbold - Erfole und Pleiten

Während in Hanau, Langendiebach, Niederrodenbach und Somborn schon längst um das runde Leder gekämpft wurde, mussten Langenselbolds Einwohner vergleichsweise lange auf diesen Sport warten, denn erst 1910 wurde in der Gaststätte "Zum Felsenkeller" der "Sportverein 1910" gegründet. Die zwölf jungen Enthusiasten wählten mit Hermann Gottlieb ihren ersten provisorischen Vorsitzenden, der aber schon bald von Heinrich Hartmann abgelöst wurde. Ein Fußballplatz auf dem historischen Gelände der Sieb wurde für den Spielbetrieb hergerichtet, der sogleich rege einsetzte. Mit dem Übersiedeln in die Gaststätte "Isenburger Hof" und dem Anschliessen an den Kinzigtaler Fussballverband sollte dem Ausüben des geliebten Hobbys nichts mehr im Wege stehen.>
Noch am Abend der Platzeinweihung wurde in der "Deutschen Eiche" der Fußballclub "Viktoria Langenselbold" gegründet, der ebenfalls den Spielbetrieb aufnahm. Dadurch waren die Langenselbolder in der Folgezeit in zwei Lager gespalten. Mit allen erlaubten Mitteln wurde um die Vorherrschaft zwischen "Sportverein" und "Viktoria" gekämpft. Spielerwechsel vom einen zum anderen Verein waren damals wie heute nicht selten und brachte die Anhängerschaft in Rage. Die Emotionen drohten überzuschäumen, als sich 1913 auch noch der Fussballclub "Vereinigung 1913" gründete. Glücklicherweise verschwand dieser aber schon bald wieder von der Bildfläche.
Mit Beginn des 1.Weltkrieges wurde der Spielbetrieb eingestellt und 1918 drohte den beiden Vereinen fast das bittere Ende, da 31 Mitglieder gefallen waren. Obwohl bereits im gleichen Jahr der spätere Sportredakteur des "Hanauer Anzeiger", Hans Ohlschläger, beim Sportverein den Antrag auf Vereinigung beider Vereine einbrachte, dauerte es noch bis zum 19.Mai 1919, als man den Zusammenschluss in der Gaststätte "Zum Friedrichseck" vollzog. Man einigte sich auf den Vereinsnamen "Spielvereinigung 1910 Langenselbold". Als neues Vereinslokal wurde das Gasthaus "Weißes Roß" gewählt, von wo aus fortan der 1.Vorsitzende Konrad Kniss und seine elf Gefolgsleute die Geschicke des Vereins lenkten. Das erste Spiel nach dem Zusammenschluss fand in Klein-Steinheim statt und wurde 6:2 gewonnen. Schon sehr bald wurde auch der Wunsch nach einer neuen Sportanlage lebendig. Trotz der Wirren der Inflation gelang es den Mitgliedern die erforderlichen Barmittel aufzutreiben und das einstige Sumpfloch wurde zum Stolz Langenselbolds, das mit einem Spiel und einem 1:0 Sieg gegen Rüla Langendiebach eingeweiht wurde.
Mit der Gründung des Süddeutschen Fußballverbandes wurde ein regelmässiger spielbetrieb eingeführt und man kämpfte sich bis zur Kreisliga Ostmain hoch. Der Jubel der Selbolder Anhänger war dermassen euphorisch, dass man die Mannschaft abends mit Musik zum Vereinslokal geleitete und die Siegesfeier bis zum Morgen ausdehnte. Als gesunde Konkurrenz stellte sich die 1925 erfolgte Gründung des "Arbeiter Fussballvereins" dar, aber in den folgenden Verbandsspielen hielt sich die Spvgg. als Neuling überraschend gut. In dieser Zeit ging der erste Stern am Fussballhimmel Langenselbolds auf und erschien in Gestalt des 16-jährigen Naturtalents Hermann Wittmann, der den Lockungen der Grossvereine trotzte und seinem Verein über Jahre die Treue hielt.
Während man aufgrund einer Änderung des Spielsystems in die Kreisliga Mittelmain wechseln musste, reifte eine hoffnungsvolle Jugendmannschaft heran, die man noch ein Jahr länger in der Juniorenrunde des Bezirks Frankfurt spielen liess. Diese talentierten Jugendlichen errangen auch sofort den 2.Platz hinter dem 1.FC Hanauer 1893. Grossen Mannschaften wie Eintracht Frankfurt, Kickers Offenbach, Germania und Sportfreunde Frankfurt wurde getrotzt. Diese Mannschaft gruppierte man um den erfahrenen Wittmann und man feierte in der Folgezeit grosse Erfolge.
Bedrohliche Gewitterwolken verdunkelten sich im Jahr 1930 den "Zehner"-Himmel, denn der damalige 1.Vorsitzende trat aufgrund persönlicher Differenzen aus dem Verein aus; ihm folgten 30(!) weitere Mitglieder und zwei Spieler nach.Sie gründeten den "Sportverein 1930", der auch heute noch als sportlicher Konkurrent gilt. Während die Spielvereinigung mit 5 Teams den Spielbetrieb durchführten, hielt der SV 1930 mit drei Mannschaften dagegen. Trotz seiner vier Mannschaften wurde der "Arbeiter-Fussballverein" nicht als ernstzunehmender Kontrahent angesehen, und man veranstaltete am 1.Januar 1933 mit den dortigen Aktiven ein Nothilfespiel zugunsten der Erwerbslosen, das in den Gasthäusern Langenselbolds noch lange diskutiert wurde.
Trotz der Gleichschaltung und Auflösung aller auf sportlichen Ebene tätigen Vereine durch die Nationalsozialisten, konnte die Spielvereinigung überleben. Viele eliminierte Sportler schlossen sich dem Verein an und man konnte bald mit zwölf Mannschaften ins Rennen gehen. Die Chance, einen Grossverein entstehen zu lassen, wurde damals vertan, die möglichen Erfolge auf dem Sportfeld stellten sich dennoch ein. Bereits im ersten Jahr des Zusammenschlusses wurde in der Bezirksliga Hanau der Meistertitel errungen und dem ersehnten Aufstieg in die Gauliga, der damals höchsten Spielklasse, stand nichts mehr im Wege. Die Spielvereinigung war auf dem Höhepunkt ihrer Laufbahn angelangt. Das kleine Langenselbold, ein Dorf von damals 8000 Einwohnern, wurde Blickpunkt des deutschen Sportgeschehens. In jeder Sportzeitung Deutschlands wurde der Name Langenselbolds in einem Atemzug mit den grossen Städten wie Hamburg, Königsberg, Düsseldorf, Köln, München oder Nürnberg genannt. Bei den Sportnachrichten an den Sonntagabenden wurden die Ergebnisse Langenselbolds mit denen der Meisterschaften Süddeutschlands verkündet. Langenselbold wurde durch die Spieler der Spvgg. in ganz Deutschland bekannt. Diese Tatsache zog nach sich, dass man sich plötzlich für unsere Aktiven interessierte. Als erster kam der kleine Mittelstürmer Kraft in den Genuss dieses Aufschwungs, denn Gausportlehrer und Nationalspieler Leinberger berief ihn zweimal in die Gaumannschaft. Die Freude währte allerdings gerade einmal eine Saison, denn mit zwei Punkten hinter Kurhessen Kassel belegten die "Zehner" den vorletzten Tabellenplatz und mussten den Gang in die Bezirksklasse antreten. Doch der Sturz sollte weitergehen, wobei die Nachteile des Dritten Reiches eine entscheidende Rolle spielten. Abwanderungen konnten nicht mehr kompensiert werden, und man stieg 1937 in die Kreisliga ab. Jubelten zu Gauligazeiten den Aktiven noch Tausende Fans zu, kamen zu den folgenden Spielen nur noch bis zu fünfzig Interessierte. Der Austritt verdienstvoller Mitglieder war ebenso nicht zu verkraften wie die Tatsache, dass sogar Ehrenmitglieder dem Verein den Rücken kehrten. Ganze zwei Pluspunkte konnte die Mannschaft erzielen und der erneute Abstieg schien nahe. Konrad Krieg, der damalige 1.Vorsitzende, scharrte Fussballer um sich, die teilweise schon Jahre keinen Ball mehr getreten hatten. Diese jedoch schafften das Wunder des Klassenverbleibs.
Der zweite Weltkrieg begann und man verlor viele aktive Spieler, da sie zur Wehrmacht eingezogen wurden. Junge Talente und hier stationierte Gastspieler aus Spitzenvereinen erreichten den erneuten Aufstieg in die Gauliga Nordhessen. Aber auch dieses Gastspiel war bereits nach einem Jahr wieder beendet. 1942 wurde wegen des "Totalen Krieges" der Spielbetrieb gänzlich eingestellt. Bei Kriegsende lagen auch in Langenselbold die sportlichen Belange am Boden. Der Sportplatz auf der Sieb war durch amerikanische Panzer total verwüstet worden. Viele Akteure waren gefallen oder schmachteten in Kriegsgefangenschaft. Pionieren wie Konrad Neidhardt gelang ein Wiederaufbau, und im Oktober 1945 rollte auch in Selbold der Ball wieder. Mit dem Einstieg des Fabrikanten Julius Vogel begann die Ära der "Ochsi-Mannschaft". Der ehemalige Trainer von Eintracht Frankfurt, Sportlehrer Melcher, wurde eingestellt und holte Spieler, die in ganz Süddeutschland bekannt waren. Der noch bekanntere Paul Osswald konnte als Co-Trainer verpflichtet, mit dem Ex-Eintrachtler Bubi Kraus ein Spitzenspieler geholt werden. Die "Ochsi-Mannschaft" zog wieder die Massen an. Eine Zeitung bezeichnete unsere Kicker sogar als "das St.Pauli des Südens". Ungeschlagen und mit grossem Punktvorsprung wurde 1948 die A-Meisterschaft und der Aufstieg in die Bezirksklasse geschafft. Eintracht Frankfurt kam und geriet sehr schnell in einen 3:0 Rückstand. Im Zwischenspurt konnten sie jedoch ein 7:3 Vorsprung erzielen. Bedingt durch eine unglaubliche Steigerung von Emil Arheiliger und dem Ausgleichstor von Karl Müller in der letzten Minute wurde das Wunder perfekt. Der Begeisterungsjubel von Tausenden Zuschauern kannte keine Grenzen.
Viele Hochs und Tiefs mußten in den darauffolgenden Jahren hingenommen werden. Um den hoffnungsvollen Nachwuchs kümmerten sich damals so Urgesteine wie Karl Häfner, Willi Wagner, Heinrich Lukas, Willi Wacker, Herbert Thomas, Heinrich Runkel und Andreas Wacker. Zwar waren die Leistungen nicht immer überzeugend, aber der Geist der Mannschaft und ein stets gut aufgelegter Torhüter Hans Mohn sorgten für den Aufstieg.
Von 1960 bis 1964 spielte man in der II. Amateurliga Frankfurt Ost. Die grossen Erfolge blieben jedoch aus und der Abstieg in die unterste Spielklasse musste erneut angetreten werden. Erst in der Spielzeit 1968/69 konnte durch die Hereinnahme von jungen Spielern wie Norbert Schmidt, Karl-Heinz Fuchs, Helmut Meckel u.a. die Vizemeisterschaft errungen werden. Im Jahr 1970, pünktlich zum 60. Jubiläum, wurde der Umzug von der Sieb zum Brühl verzogen und der Wiederaufstieg in die A-Klasse erreicht.
Im Jahr 1980 wurde das Motto "Wir wollen nach oben" angegangen. Mit Horst Geis kam ein Mann an den Brühl, der seit Jahren der Wunschtrainer der "Zehner" war. Der 9.Platz in der Saison 1979/80 und das Zurückholen von Spielergrössen sorgten in der darauffolgenden Spielzeit für einen 4.Tabellenplatz. Der ersehnte Aufstieg erfolgte dann 1981/82, an dem der neu verpflichtete Trainer Wolfgang Knapp wesentlichen Anteil hatte. Neuzugänge wie Bernhard Barthel, Dieter Kraus und Akko Schmidt hoben das spielerische Niveau erheblich. Am 9.Mai 1982 konnte mit einem 3:2-Sieg In Wachenbuchen die Meisterschaft perfekt gemacht werden. In dieser Zeit gastierte die Bundesligamannschaft des 1.FC Köln am Brühl und siegte vor 2200 Zuschauern mit 5:0 Toren. der Gewinn des erstmalig ausgetragenen "Buchberg-Cup" in Niederrodenbach lies erkennen, wie Spielstark diese Mannschaft, komplettiert durch Thomas Weber, Manfred Meyer, Peter Beken und Michael Barthel, war. Aufgrund vieler Verletzungen und Hinausstellungen blieb der ganz grosse Erfolg zunächst aus.
Mit dem Wechsel des Spielertrainers Wolfgang Knapp nach Heusenstamm wurde mit Karl-Heinz Volz, dem "Pokalheld von Hannover", ein neuer Trainer verpflichtet, der sich als absoluter Glücksgriff erweisen sollte. Unter seiner Führung übernahm man am 21.Spieltag in Obertshausen die Tabellenführung und gab sie bis zum Saisonende nicht mehr ab. Der Aufstieg in die Landesliga Süd, wohl nie für möglich gehalten, war geschafft. Im Convoy und hupend wurde die Rückreise nach Langenselbold angetreten und es folgte eine Feier, an die sich so manch' Beteiligter heute sicher noch gut erinnert.
Mit dem Gewinn der Meisterschaft entstand für die Verantwortlichen der Spvgg. allerdings eine sehr schwierige Situation. Nicht nur an Verstärkungen musste gedacht, sondern auch die Abgänge von sieben Spielern kompensiert werden. Bernd Barthel, Reinhard Rüger, Alberto Agnatelli, Andreas Laubach, Ralf Schäfer und Roland Harder sollten die Lücken schliessen. Den harten Wind der Landesliga bekam man sofort zu spüren, denn nach neun Spieltagen dümpelte man auf dem letzten Tabellenplatz dahin. Mit der Rückkehr von Thomas Weber und der Verpflichtung von Slobodan Lalic setzte jedoch eine Erfolgsserie ohnesgleichen ein. Der Lohn für die Anstrengungen war der noch erreichte 5. Tabellenplatz.